Die Kraft der Bewegung Fridays for Future (FFF) lag darin, dass sie so unschuldig daher kam. Kinder und Jugendliche äußerten ihre Angst um die Zukunft des Planeten und appellierten an die Älteren, endlich etwas gegen den Klimawandel zu tun. Das war eine ebenso aufrüttelnde Botschaft, wie das gewählte Mittel, der Schulstreik, anrührend naiv war. Greta Thunberg war die Gründerin und Ikone dieser Bewegung. „Wie könnt ihr es wagen!“, rief das kleine, 16-jährige Mädchen aus Stockholm 2019 unerschrocken der UN-Vollversammlung in New York zu – und damit der ganzen Erwachsenenwelt. Sie war per Segelboot angereist, um CO2 zu sparen.
Zwar war Fridays for Future immer eine Bewegung von Wohlstandskindern der nördlichen Hemisphäre – im Süden sorgt man sich eher ums Essen oder das Recht auf Bildung – aber immerhin: Dort bewegte sie etwas. Viele Eltern kamen ins Nachdenken, und die Politik reagierte. Das recht scharfe deutsche Klimaschutzgesetz zum Beispiel hätte es ohne FFF nicht gegeben. Es war zeitweise ein bisschen wie in Grönemeyers Song „Kinder an die Macht“.
Die Kinder sind erwachsen geworden, leider. Die Unschuld ist weg. Am letzten Wochenende funktionierte Thunberg, jetzt 20 Jahre alt, in Amsterdam eine Klimakundgebung zu einer Solidaritätsaktion mit Gaza um. Im Palästinenserschal. Einen Zuhörer, der das kritisierte, ließ sie herrisch von der Bühne werfen und skandierte: „No climate justice on occupied land“ (Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land). Ein Gaga-Spruch. Also ob es in Palästina je um Klimaschutz gegangen wäre. Kein Wort äußerte sie hingegen zu den Schlächtereien der Hamas.
Als unschuldige Ikone ist Thunberg damit tot, was aber schlimmer wirkt: Auch ihre Bewegung. Wer immer hier noch mitläuft, läuft ab jetzt auch hinter Terror-Unterstützern her. Oder muss Sorge haben, dass sein Engagement dafür missbraucht wird. FFF übersetzt sich jetzt mit „Fridays for Fanatics“.
Die deutsche Sektion, die sich in Sachen Israel erfreulich klar positioniert hat, wird sich etwas einfallen lassen müssen. Vielleicht einen neuen Namen, denn Thunberg hält die Markenrechte. Und eine Trennung von radikalen Aktivisten. Es wird in jedem Fall auf eine Schwächung der Bewegung hinauslaufen. Und damit auf eine Schwächung des Klimaschutzes, der ohne Druck von unten auch hierzulande nicht vorankommt. Das ist das eigentlich Tragische. Thunberg hat dem eigenen Anliegen einen Tort angetan.
Werner Kolhoff arbeitet als politischer Kolumnist in Berlin.