Moin

Wie mir die Nordsee eine Lektion erteilte

Ein Spaziergang auf dem Deich ließ mich grübeln. Wie können Tourismus und Naturschutz einhergehen?

Die „dicken Pötte“, wie man, so glaube ich es zumindest, hier sagt, ziehen langsam wie Schnecken über die See, als ich meinen Blick hier an der Küste übers Meer schweifen lasse. Immer wieder beeindruckend, wie klein sie aus der Entfernung wirken und dabei in einer Stunde rund 14.000 Liter Brennstoff verbrauchen.

Zugleich nehme ich die Gezeiten wahr. Als ich nachmittags ankam, war das Wasser ziemlich weit weg. Ich lief in die ausgeschilderte Zone des Nationalparks Wattenmeer. Dabei dachte ich mir: „So weit wie das Wasser weg ist, wird schon nichts passieren. Wir Deutschen sind mal wieder zu vorsichtig mit unseren Warntafeln am Wegesrand.“

Eine halbe Stunde vergeht, bis das Meer, eben noch kaum hörbar, am Wegesrand warnend plätschert. Etwas weiter weg ist das Wasser übergetreten. Es ist der einzige Weg, der zurück auf den Deich führt. Als das Wasser auch links von mir im Gras ansteigt, wird mir bewusst, wer hier der Chef ist. Ich bin es nicht.

Schnellen Schrittes entscheide ich, das Gebiet zu verlassen und den trockenen Deich aufzusuchen. Im selben Moment schauen mich die eben noch grasenden Schafe mit einem kommentierenden Blick an: „Typisch Neuling.“ Sie grasen weiter. Ich laufe zwischen ihnen den Deich entlang, als ich rechts von mir, auf der anderen Deichseite, ein Schild für neue Ferienwohnungen entdecke, die hier entstehen sollen.

Es macht mich nachdenklich. Auf der einen Seite müssen wir das Wattenmeer schützen, auf der anderen Seite sollen weitere Ferienappartements direkt am Nationalpark entstehen. Nicht, dass ich mich gegen die potenziellen Einnahmen des Tourismus aussprechen möchte, nur muss es direkt gegenüber dem Nationalpark sein?

Ich sehe bereits vor meinem geistigen Auge, wie im Sommer die Familien mit Coffee-to-go-Bechern in der Hand durch den Park laufen, bis der Plastikdeckel irgendwohin ins Watt fliegt oder Kinder ihren Schnuller verlieren.

Die Seevögel werden den Müll für Futter halten. So leichtfertig wie ich den Weg entlang schlenderte, so leichtfertig sollten wir die Kräfte der Nordsee nicht verspielen. Wir müssen Kurs halten, sofern wir nicht untergehen wollen.

Stefan Alexander Hippler

Reporter

Stefan Hippler wurde in Gelsenkirchen-Buer geboren. Als gelernter Hotelfachmann folgten verschiedene Positionen in der Hotellerie. Nach einem TV-Volontariat im Emsland und einer Anstellung als Redakteur, zog es ihn wieder an die Küste.

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