Selsingen

Wandern auf den 24 Nordpfaden grenzt bei Selsingern an Sucht

Sie nennen sich „Wanderboys“: Martin Grubert und Heinz Mehrkens aus Selsingen haben alle 24 Nordpfade im Landkreis Rotenburg nachweislich bewandert. Sie sind nicht die Ersten, erhielten aber als Erste die TouROW-Urkunden persönlich. Aus gutem Grund.

Die Ruheständler Heinz Mehrkens (links) und Martin Grubert unterwegs auf einem der 24 Nordpfade im Landkreis Rotenburg, die sie alle gemeinsam gemeistert haben.

Die Ruheständler Heinz Mehrkens (links) und Martin Grubert unterwegs auf einem der 24 Nordpfade im Landkreis Rotenburg, die sie alle gemeinsam gemeistert haben. Foto: Privat

Martin Grubert und Heinz Mehrkens sind Nachbarn in Selsingen, gehen lange gemeinsam in die „Muckibude“, um sich körperlich zu ertüchtigen. In der Pandemie verlagern sie die Bewegung zwangsläufig nach draußen. So kommen die Ruheständler auf die Idee, mal einen der 24 Nordpfade zu bewandern. Das gefällt ihnen so gut, dass weitere folgen, inzwischen alle 24. Insgesamt 358 Kilometer.

Heinz Mehrkens bekennt: „Meine Frau hatte zuerst Bedenken, weil ich eine neue Hüfte bekommen habe. Aber was soll mir passieren? Ich habe ja einen Doktor dabei“, sagt er lachend. Denn sein Wanderfreund ist Hausarzt außer Dienst. „Ist nur Mist, wenn mir etwas passiert“, entgegnet Martin Grubert mit Humor.

Mit hochgekrempelter Hose durchs Wasserloch

Irgendwann hören sie von ihrem Freund Johann Heins, dass der Kreis-Touristikverband TouROW Wanderpässe anbietet. „Da haben wir Blut geleckt“, sagt Heinz Mehrkens und strahlt. Fortan tragen sie jeden gemeisterten Nordpfad in den Wanderpass ein, dokumentieren ihre Wanderungen per Foto. Unterwegs genießen sie die Bewegung an der frischen Luft, klönen viel und denken sich sogar Sprüche zu den Nordpfaden aus.

„Die Oberhärte, die wir jemals geschafft haben, war am 12. Januar in der Wümmeniederung. Auf der Strecke befand sich ein nicht zu umgehendes Wasserloch. Also Schuhe aus, Hose hochgekrempelt und durch das kalte Wasser. Das war zum Mäusemelken“, erinnert sich der 75-jährige Heinz Mehrkens.

Ein einziges Mal verlaufen sich die „Wanderboys“

Die „Wanderboys“ sind immer mittwochs auf den 5 bis 32 Kilometer langen Nordpfade-Rundwegen unterwegs, wenn es passt. Nur einmal haben sie schlechtes Wetter. Sie bewältigen alle Nordpfade in einem Stück. Einzige Ausnahme ist die 32 Kilometer lange Strecke in der Wümmeniederung, die sie in zwei Etappen absolvieren. Nur einmal verlaufen sie sich, „weil wir uns zu sehr unterhalten haben“ und ein Wegweiser zugewachsen ist. „Daran kann man sehen, dass es eben Spaß bringt“, sagt Martin Grubert.

„Jetzt haben wir zehn Strecken schon das zweite Mal gewandert“, erwähnt Heinz Mehrkens. Welcher Nordpfad dem Duo am besten gefällt? „Wümme und Vareler Heide“ bei Scheeßel, „Hinterholz und Hohenmoor“ bei Elm, „Ostetal“ bei Granstedt oder auch „Federlohmühlen“ bei Riekenbostel. Lobenswert finden die „Wanderboys“, dass die Nordpfade mit ihrer Beschilderung und der Beschreibung in den Wanderkarten „optimal durchorganisiert“ sind.

Die "Wanderboys" Martin Grubert (links) und Heinz Mehrkens aus Selsingen meisterten alle 24 Nordpfade und sind die ersten Finisher, denen TouROW-Geschäftsführer Udo Fischer (Mitte) die Nordpfade-Urkunden aus gutem Grund persönlich überreichte.

Die „Wanderboys“ Martin Grubert (links) und Heinz Mehrkens aus Selsingen meisterten alle 24 Nordpfade und sind die ersten Finisher, denen TouROW-Geschäftsführer Udo Fischer (Mitte) die Nordpfade-Urkunden aus gutem Grund persönlich überreichte. Foto: Hilken

Und ja, die Bewegung auf meist naturnahem Untergrund tut beiden gut: „Das Wandern grenzt schon ein bisschen an Sucht bei uns“, sagt der 72-jährige Martin Grubert augenzwinkernd. Unterwegs sind sie für alle Eventualitäten gewappnet. Und es gibt Rituale: Heinz Mehrkens fährt beide immer zum Startpunkt, Martin Grubert nimmt Kaffee und eine Besonderheit mit: „In der Pause bekommt jeder einen Obstler.“ Mit dabei ist im Rucksack auch stets eine Dose mundgerecht gefertigter Äpfel.

Beim Wandern bevorzugen sie keine der verschiedenen Jahreszeiten. Es gilt lediglich: „Am Besten ist es, wenn es nicht regnet.“ Obwohl: Den Nordpfad „Ostetal“ bei Frost zu bewandern, wenn alles voller Raureif ist, sei bildschön. Oder der Nordpfad „Kuhbach-Oste“ bei Klein Meckelsen, wenn die Frühblüher zu sehen sind. „Man bekommt jedes mal wieder einen neuen Eindruck.“

Sprüche der Wanderboys über die Nordpfade

  • Die Pandemie, oh Graus, schließt uns die Muckibude zu, sofort auf die Nordpfade raus und du fühlst dich wohl im Nu!
  • Du brauchst nichts buchen und nichts kaufen, du kannst umsonst die Nordpfade durchlaufen.
  • Brauchst du für Körper und Seele eine Kur, durchlaufe sie, die 24 Nordpfade nur.
  • Erkunde die Nordpfade, du wirst sehen, etwas Besseres kann dir nicht geschehen.
  • Für Dick und Dünn, für Groß und Klein, es muss eine Tour auf den Nordpfaden sein.

Als alle 24 Nordpfade bewältigt sind, schicken die „Wanderboys“ Fotos der von ihnen gewanderten Strecken an den TouROW, garnieren sie mit kleinen Gedichten, schriftlichen Gedanken zu den Nordpfaden und englischsprachigen Empfehlungen der „Wonder-Boys“. Der Touristikverband nimmt sie in die digitale „Hall of Nordpfade“ im Internet auf (www.nordwaerts.de).

Was folgt, ist eine Besonderheit. TouROW-Geschäftsführer Udo Fischer macht sich auf den Weg nach Selsingen, um Martin Grubert und Heinz Mehrkens die Nordpfade-Urkunden zu überreichen. „Bei ihnen war das Außergewöhnliche nicht, dass ich den Wanderpass bekommen habe, sondern das Drumherum, die Geschichten, die sie geschrieben haben.“ So sind die Selsinger die ersten Wanderer, „denen ich persönlich eine Urkunde übergebe. Alle anderen haben sie bislang per Post bekommen“.

39 Wanderer nachweislich auf allen 24 Strecken unterwegs

39 Wanderer haben beim TouROW nachgewiesen, alle 24 Nordpfade gelaufen zu haben. Darunter ein Ehepaar, das 134 Mal auf Nordpfaden unterwegs war und gut 2.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat.

„Für uns ist es wichtig, ein Dankeschön zurückzugeben“, betont Udo Fischer. So heißt es auf der Urkunde: „Du hast alle 24 Nordpfade absolviert und bist damit 358 flach-weite Kilometer durch unsere einzigartige norddeutsche Wanderregion Landkreis Rotenburg gewandert. Das ehrt Dich und macht Dich zu einem ausgezeichneten Nordpfade-Kenner.“ Für Martin Grubert und Heinz Mehrkens steht fest: Der nächste Nordpfad kommt bestimmt. An einem Mittwoch.

Lutz Hilken

Lutz Hilken ist in Zeven geboren und in der Region aufgewachsen. Seit 1987 schreibt er über so ziemlich alles, was die Menschen bewegt - außer Sport. Privat zieht es ihn mit Vorliebe in die Natur, um auf langen Wanderungen abzuschalten.

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