Bremerhaven

Zerklüftete Flickenpiste wird zur Vorzeige-Straße - sechs Jahre verspätet

Zerklüftet, zerlöchert, zerlumpt. Die Schandpiste Leherheides - der Mecklenburger Weg - brachte Jahrzehnte die Anwohner zur Verzweiflung. Das zugesagte Sanieren blieb Vision. Bis jetzt. Der Umbau hat begonnen - trotzdem verzweifeln etliche Anwohner.

Bis hierhin noch Schandmeile: Jenseits der Baken aber hat im März 2023 die umfassende Sanierung des Mecklenburger Wegs ab Einmündung Debstedter Weg begonnen.

Bis hierhin noch Schandmeile: Jenseits der Baken aber hat im März 2023 die umfassende Sanierung des Mecklenburger Wegs ab Einmündung Debstedter Weg begonnen. Foto: Schwan

Seit 1. März wühlen die Bagger die Schlagader des Stadtteils ab Ecke Debstedter Weg bis tief nach unten auf, der Mecklenburger Weg ist bis zur Kreuzung Otto-Oellerich-Straße gesperrt. Der erste Bauabschnitt für einen radikalen Umbau samt neuer Gestaltung soll laut Baudezernat bis November fertig werden. Es ist der Moment, auf den viele zermürbte Anlieger seit mehr als 10 Jahren gewartet haben.

Hier an der Ecke Debstedter Weg haben die Bagger bereits mit dem Umbau des Mecklenburger Wegs begonnen: Auch der Regenwasserkanal wird neu verlegt.

Hier an der Ecke Debstedter Weg haben die Bagger bereits mit dem Umbau des Mecklenburger Wegs begonnen: Auch der Regenwasserkanal wird neu verlegt. Foto: Schwan

Denn täglich rund 400 Autos, 12 Busse und mindestens 20 Schwerlastgefährte haben die immer nur provisorisch Teer-geflickte Ruckelpiste - eine Hauptachse zwischen Lehe und Fehrmoor - derart erschüttert, dass Hauseigentümer schon vor Jahren über Risse in ihrer Hauswand klagten.

Aber wegen der auf ihnen ruhenden juristischen Beweislast auf das Klagen vor dem Kadi verzichteten.

Anlieger sollen etwa 9 Euro pro Quadratmeter Grundstück zahlen

Jetzt erwägen etliche unter ihnen, doch noch zu klagen - denn das 1,9 Millionen schwere Sanierungsprojekt kommt die Anlieger teuer zu stehen. „Dass Sanierungskosten auf uns umgelegt werden, wissen wir ja seit den ersten Informationen der Stadt 2020“, räumt zum Beispiel Sarah Broel ein.

Die junge Mutter hat mit ihrer Familie das Häuschen hier erst 2020 erworben. „Sehr günstig. Tolle Lage, tolle Infrastruktur mit Kita und Schulen. Auf die privaten Eigentümer entfallen für das Sanieren etwa 9 bis 12 Euro pro Quadratmeter Grundstück und Wohnfläche“, erklärt sie. Und dass sie sich drauf einstellen.

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Natürlich kann man Kostensteigerungen, etwa durch widrige Umstände, nie zu 100 Prozent ausschließen.

Bernd Schomaker, Baustadtrat

„Wir legen jeden Monat etwas zurück dafür. Aber es fällt schwer, in dieser Zeit, und das schaffen nicht alle Nachbarn mit großen Grundstücken. Gewerbetreibende müssen sogar viel mehr zahlen.“

Darum hat ein Betroffener von nebenan, Raimund Weiß, eine Anlieger-Umfrage gestartet, nachdem die Stadt 2021 auf einer coronös bedingten Video-Anliegerversammlung alle Details erklärt hatte. „Es wurden noch mal die drei möglichen Ausbauvarianten vorgestellt“, sagt seit 2006 hier Ansässige.

Rechnungen sollen erst Ende 2024 verschickt werden

„Da wurde nach der Meinung der Anwohner gefragt, die Mehrheit wollte die einfachste Sanierung. Für eine einfache Asphaltierung wären wir nicht kostenpflichtig gewesen. Aber die Stadt entschied sich für die teuerste - auf unsere Kosten. Gegenüber muss ein Eigentümer für ein Mehrfamilienhaus 14.000 Euro zahlen.“

Zwar sollen die Rechnungen erst im vierten Quartal 2024 rausgehen, so seine Information, „es soll auch möglich sein, abzustottern und bei der Stadt einen Kredit aufzunehmen - aber mit Zinsen.“

Für Radfahrer war das Herumeiern auf dem Mecklenburger Weg - Hauptschlagader zwischen Lehe und Fehrmoor - seit Jahren bisher fast lebensgefährlich.

Für Radfahrer war das Herumeiern auf dem Mecklenburger Weg - Hauptschlagader zwischen Lehe und Fehrmoor - seit Jahren bisher fast lebensgefährlich. Foto: Schwan

Froh, dass die Kraterpiste endlich glatt befahrbar, der Gehweg verbreitert und Grünes gepflanzt wird, ist zwar ein junger Nachbar. „Aber ich verstehe nicht, dass Anlieger einer Hauptverkehrsstraße an den Kosten beteiligt werden“, sagt der lieber ungenannt Bleibende, „wir müssten fast 6000 Euro bezahlen, in diesen Zeiten, Inflation, Energiekrise - ein Unding.“

Nachbar Weiß hat auf seiner Umfrageliste jetzt 32 Anlieger. „Alle holen sich derzeit zunächst eine Rechtsberatung, inwieweit das mit der Kostenbeteiligung auch zulässig ist. In der Stadt Bremen werden Anlieger nicht für solche Straßensanierungen belastet.“

Baustadtrat Schomaker verteidigt die aktuelle Ausbauvariante

Bremerhavens Baustadtrat Bernd Schomaker (FDP) bezieht auf Nachfrage der Redaktion Stellung: „Auch in der Stadt Bremen wäre es laut Gebühren- und Beitragsgesetz möglich, Anwohner an den Kosten zu beteiligen“, erklärt der Dezernent, weshalb das nicht geschehe, könne er nicht sagen.

Doch sei es „keineswegs so, dass aus drei Varianten die teuerste ausgewählt wurde. Alle drei beliefen sich jeweils auf etwa 1,9 Millionen Euro.“

Dafür wird die Fahrbahn nun auf rund 350 Metern bis in „frostschutzsichere Tiefe“ erneuert, ein neuer Regenwasserkanal gelegt. In diesem Zuge werde auch, so Schomaker, das eventuell geplante Glasfaserkabel mitverlegt, damit später nicht alles nochmal aufgerissen werden muss - wie ein Anlieger bereits befürchtete.

Die Fahrbahn wird radfahrfreundlich verbreitert, auf Wunsch der älteren „Heidjer“ werden auch die neu verbreiterterten Gehwege für Radfahrer freigegeben.

Um 26 Parkbuchten und Baum-Inseln anzulegen, wird der Straßenverlauf verschwenkt. 13 Bäume werden gepflanzt, die Beleuchtung auf LED umgestellt und der Mecklenburger Weg - trotz des Busverkehrs - zur Tempo-30-Zone.

Wann 2024 der geplante nächste Bauabschnitt beginnt, ist noch nicht raus. Anwohner sind skeptisch.

Auch dieser erste Bauabschnitt war ein Hürdenlauf: 2017 hatte die damalige Baustadträtin Dr. Jeanne-Marie Ehbauer versprochen, die Sanierung „zügig anzupacken.“ 2018 flog alles im Bauausschuss wieder von der Liste. Kam im März 2021 wieder drauf, als die Hans-Böckler-Straße fertig saniert war. Der für 2022 geplante Baubeginn - Pustekuchen. Aber jetzt.

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

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