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So läuft die Hochsaison in der Kläranlage Tossens

Wenn in der Urlaubergemeinde Butjadingen die Hauptsaison beginnt, herrscht für die Mitarbeiter der Kläranlage des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV) in Tossens Hochsaison. Es muss deutlich mehr Abwasser gereinigt werden als sonst.

Kläranlagen-Mitarbeiter Adrian Schmeyer, Nils Arndt, Auszubildender Lukas Urbaniak und Mario Marotzki sind ein Teil des Teams, das die Kläranlagen östlich des Jadebusens auch bei saisonalen Schwankungen am Laufen hält.

Kläranlagen-Mitarbeiter Adrian Schmeyer, Nils Arndt, Auszubildender Lukas Urbaniak und Mario Marotzki sind ein Teil des Teams, das die Kläranlagen östlich des Jadebusens auch bei saisonalen Schwankungen am Laufen hält. Foto: OOWV

„Die tägliche Abwassermenge erhöht sich von einem Tag auf den anderen um ein Vielfaches“, berichtet Nils Arndt, Anlagenkoordinator der Kläranlage. „Damit die Bakterien, die das Abwasser in unseren Becken reinigen, damit zurechtkommen, bereiten wir sie im Vorfeld darauf vor und erhöhen ihre Anzahl.“

Das heißt, die Mitarbeiterin und die Mitarbeiter der Kläranlage holen weniger oder sogar keinen Klärschlamm aus den Becken. Da die nützlichen kleinen Helfer in eben diesem Schlamm leben und selbst ein Teil von ihm sind, erhöht sich so ihre Anzahl. Was sich so einfach anhört, erfordert Fingerspitzengefühl und Timing.

Toten Klärschlamm vermeiden

Denn wird die Bakterienanzahl zu früh erhöht, finden die mikroskopischen Lebewesen nicht genügend Nahrung und verenden. Der Effekt: viel toter Klärschlamm. Wird ihre Masse zu spät hochgefahren, sind nicht genügend von ihnen da, um die plötzlich vermehrt eintreffende Abwassermenge wie vorgegeben zu reinigen. Damit die Einzeller atmen können, muss zusätzlich die Gebläseleistung angepasst werden.

Auch die Eisendosierung zur Reduzierung des Phosphatgehalts des Abwassers bedarf ständiger Angleichung. Für Nils Arndt und das Team der Kläranlage Tossens stellen diese Abwägungen jedoch keine Probleme dar. „Wir haben die nötige Erfahrung“, weiß der Anlagenkoordinator. „Schließlich machen wir das mehrmals jährlich.“ Zudem stehe man im Austausch mit Campingplatzbetreibern und der Kurgesellschaft. „Das ist eine ganz wichtige Zusammenarbeit“, betont Nils Arndt.

Team der Kläranlage hat die Tourismus-Saison immer im Auge

Der Betrieb einer Saisonkläranlage ist ein immerwährendes Auf und Ab. Im touristischen Sektor kehrt nach der Sommersaison bis zu den Herbstferien etwas Ruhe ein. Für die Mannschaft der Kläranlage Tossens heißt das: Bakterienmasse herunterfahren. Nach dem kleineren Touristenschwung im Herbst beginnt die kalte Jahreszeit.

Kühle Temperaturen, wenig Nahrung – für die im Klärschlamm lebenden Bakterien keine schöne Zeit und für die Kläranlagen-Crew eine Herausforderung, denn mitten in diesen Monaten reisen von Weihnachten bis Silvester wieder viele Menschen an den Jadebusen. In den Klärbecken muss demnach wieder die Zellteilung angeregt werden. Besinnlich geht es für die Mitarbeiterin und die Mitarbeiter der Kläranlage zwischen den Jahren nicht zu.

„Um die Qualität des geklärten Abwassers sicherzustellen werden mindestens fünfmal pro Woche Proben entnommen und anschließend ausgewertet“, erläutert Mario Marotzki, Leiter der OOWV-Kläranlagen in Burhave, Eckwarden, Hartwarden, Sandstedt und Tossens. „Die Werte müssen eingehalten werden, auch wenn sich die Biologie in den Becken bei Kälte anders verhält als bei Wärme.“

Da die Kläranlage Tossens ihr gereinigtes Abwasser direkt hinter dem Deich in die Nordsee leitet – und damit ins Wattenmeer und Badegewässer –, sind die einzuhaltenden Werte zudem strenger als andernorts.

Problem: Wenn Putzmittel im Abwasser auch die nützlichen Bakterien töten

Neben der Temperatur und den Schwankungen bei der Nahrung gibt es noch eine andere Herausforderung für die Bakterien der Kläranlage Tossens: Kurz vor dem Start einer Touristen-Saison wird in den Ferienhäusern und -wohnungen für die bald eintreffenden Gäste geputzt. Dann gelangt Abwasser mit einer hohen Konzentration an Reinigungsmitteln in die Kläranlage. Da viele Putzmittel darauf ausgelegt sind, Bakterien zu beseitigen, sind sie auch für die nützlichen Helfer in den Becken tödlich.

„Meistens ist die Konzentration von Reinigungsmitteln im Abwasser zum Glück nicht so hoch, dass wir in der Anlage Probleme bekommen könnten. Außerdem wissen wir ja, dass das kommt. Deshalb sind wir darauf vorbereitet“, sagt Nils Arndt. Mario Marotzki ergänzt eine weitere Besonderheit des ankommenden Abwassers: „Da es im Gebiet der Kläranlage Tossens viele Restaurants gibt, bekommen wir viel Fett rein. Das sollte eigentlich in den Fettabscheidern in den Gaststätten selbst aufgefangen werden, doch wenn die nicht gut gewartet oder defekt sind, dann kommt das Resultat zusätzlich bei uns an.“ Das sei grundsätzlich nicht schlimm, betont der Kläranlagenleiter, allerdings erhöhe es den Reinigungsaufwand und den Verschleiß, da sich die ausgehärtete, schmierige Masse in den Apparaturen festsetze.

Zwischen Neujahr und der Sommersaison kommen immer wieder Gäste, die für das Auf und Ab auf der OOWV-Kläranlage in Tossens sorgen: „Zuerst kommen diejenigen, die aus Nordrhein-Westfalen vor dem Karneval an die Nordsee flüchten“, beginnt Mario Marotzki seine Aufzählung, „dann kommen die Ostergäste, es folgen Christi Himmelfahrt und Pfingsten.“ Nils Arndt: „Eigentlich ist hier immer etwas los, wenn irgendwo ein Feiertag ist. Das ist wie mit Ebbe und Flut.“


Timo Kühnemuth

Reporter

Timo Kühnemuth ist gebürtiger Ostfriese. Nach dem Magisterstudium in Oldenburg hat er bei der KREISZEITUNG WESERMARSCH volontiert. Von 2006 bis 2010 arbeitete er bei Zeitungen in Buxtehude und Delmenhorst. Seit April 2010 ist er wieder für die Kreiszeitung Wesermarsch im Einsatz.

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