Bremerhaven

AWI-Forscher wollen Lösung für Landwirte und ihre Kühe bieten

Mit Hilfe einer Mikroalge wollen Aquakulturforscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven Wasser entsalzen. Sie möchten Landwirten an der Küste helfen, wo die Gräben zunehmend versalzen. Doch ihre Ideen reichen bis zur Wasserstofftechnologie.

Forscher mit Algen-Ansätzen

Mit der Mikroalge Spirulina, die der Student Albert Beyer hier zeigt, wollen AWI-Forscher Wasser entsalzen. Das Projekt wird von der Metropolregion gefördert, der Bioreaktor zieht nach Nordenham. Foto: Scheschonka

Ihr Algenlabor steckt im blauen Container. Noch. Dort wächst Spirulina so gut, dass sie bald in einen 1.000-Liter-Wassertank umziehen darf. Die nächstgrößere Test-Stufe wäre dann ein Bioreaktor mit mindestens zehn Kubikmetern Fassungsvermögen und modernster Lichttechnik, den das Team um Projektleiter Dr. Stephan Ende in Nordenham im Technologiezentrum aufbauen darf. Die Aquakulturforscher vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven arbeiten an einer biologischen Entsalzungsanlage, die auf Mikroalgen basiert. Die Metropolregion Nordwest unterstützt das Projekt mit 68.000 Euro. „Das ist natürlich eine super Starthilfe“, freut sich der Projektleiter.

Projekt-Team und Förderer

Kleine Kringel als Helfer: Mit der Mikroalge Spirulina, die (von links) Cynthia Couto, Stephan Ende und Albert Beyer auf dem Handyfoto zeigen, wollen AWI-Forscher Wasser entsalzen. Die Wirtschaftsförderung Wesermarsch, hier vertreten durch Tobias Busch (rechts), hofft auch auf einen Beitrag für die Wasserstofftechnologie. Foto: Scheschonka

Ein solcher Bioreaktor könnte eines Tages auf landwirtschaftlichen Betrieben stehen, beschreibt Ende. Auf der anderen Weserseite klagen Bauern darüber, dass sich die Brackwasserzone immer weiter ins Landesinnere verschiebt. Das Wasser in den Gräben, die zur Bewässerung und für die Viehtränke genutzt werden, versalzt. Die Milchleistung verschlechtere sich, wenn die Kühe das Wasser trinken, zitieren die Wissenschaftler eine Auswirkung davon. Ende: „Wir sind überzeugt, Mikroalgen können Teil der Lösung werden.“ Sie nehmen das Salz auf, wenn sie wachsen und sich vermehren. Gern gesehener Nebeneffekt: Sie binden Kohlendioxid.

Tests mit verschiedenen Abfällen

Albert Beyer, Student der Uni Freiburg, zeigt Kolben mit verschiedenen Ansätzen für die Einzeller. Mal hat sich eine satt-grüne Flüssigkeit gebildet, mal ist sie fast durchsichtig und wird erst beim Aufschütteln hellgrün. „Es ist deutlich zu sehen, dass die Mikroalge unterschiedlich gut wächst.“ Auf der anderen Seite hängen längliche Plastikschläuche - sogenannte Algenbags mit bis zu 15 Litern Fassungsvermögen. Auch darin wachsen die Einzeller gut.

Albert Meyer an den Algen-Bags

Mit den Mikroalgen, die der Student Albert Meyer hier in sogenannten Algen-Bags zeigt, wollen AWI-Forscher Wasser entsalzen. Foto: Scheschonka

Beyer hat seine Abschlussarbeit darüber geschrieben, welche lokalen Abfallströme sich noch nutzen lassen. „Wir testen verschiedene Einsatzmöglichkeiten“, erläutert Ende. Spirulina ist in manchen Industriezweigen nachgefragt, zum Beispiel in der Lebensmittelbranche. Abgesehen vom blauen Farbstoff kann sie wichtige Nährstoffe und Spurenelemente liefern. Zum Jahresende kommt ein Buch von Ende über solche Algen-Anwendungen heraus (Titel: „Value-added Products from Algae: Phycochemical Production and Applications“).

Verwertbare Algenmasse

Für die Entsalzungstests haben die Projektmitarbeiter Salzsole von Helgoland geholt. Die Insel nutzt Meerwasser für die Trinkwassergewinnung. Doch die technische Entsalzung hat Nachteile. „Wir wollen ein biologisches Verfahren anbieten“, sagt Ende. Dann bleibt am Ende keine Salzlake übrig, sondern eine Algen-Masse, mit der sich etwas anfangen lässt. Sie bietet sich mit ihrem Proteingehalt beispielsweise als Futtermittel in der Tierhaltung an. Spirulina haben die Bremerhavener Wissenschaftler auch deshalb ausgesucht, weil diese Mikroalge schon einen „Grasstatus“ besitzt, was wiederum die Zulassung als Futtermittel leichter macht.

Neue Bedarfe für entsalztes Wasser

Das Entsalzungsthema wird wahrscheinlich wegen der Wasserstofftechnologie noch größer. Die Elektrolyseure, die Wasserstoff produzieren, brauchen Wasser als Ausgangsstoff. Man wird am Ende aufs Meerwasser zurückgreifen (müssen). Doch die Elektrolyseure sind empfindlich. Das Meerwasser muss vorher entsalzt werden. Salzsolen entstehen aber auch in verschiedenen industriellen Prozessen. Kein Wunder, dass entsprechende Unternehmen das Projekt unterstützen.

Ursel Kikker

Reporterin

Ursel Kikker kommt aus der Wesermarsch, liebt das Meer und berichtet gerne darüber, wenn die Wissenschaft für frischen Wind an der Küste sorgt. Sie hat bei der NORDSEE-ZEITUNG volontiert und ist nach dem Studium dorthin zurückgekehrt.

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