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Im Sperrgebiet – so sieht es im Offshore-Windpark aus

Der Offshore-Windpark „Nordsee One“ ist 2017 in Betrieb gegangen. Normalerweise kann man nicht einfach so mit einem Schiff zwischen den Anlagen hin und her fahren. Jetzt gab es eine Ausnahme.

Im Vordergrund das Offshore-Umspannwerk im Windpark „Nordsee One“. Das gelbe „Gebäude“ im Hintergrund ist die Umrichterstation „Dolwin Beta“.

Im Vordergrund das Offshore-Umspannwerk im Windpark „Nordsee One“. Das gelbe „Gebäude“ im Hintergrund ist die Umrichterstation „Dolwin Beta“. Foto: Hock

Der Katamaran „Adler One“ pflügt über die recht ruhige Nordsee. Der Wind pfeift den Passagieren auf dem Außendeck um die Ohren. Und am Horizont kommen sie immer näher: die 54 Windkraftanlagen des Offshore-Parks „Nordsee One“. Der Betreiber und die Reederei Frisia hatten zu einer Ausflugsfahrt ins Sperrgebiet eingeladen. Statt im Abstand von mindestens 500 Metern am Windpark vorbei ging es dieses Mal ausnahmsweise mitten rein.

Erkenntnis Nummer 1: So dicht, wie es auf Entfernung aussieht, stehen die Windkraftanlagen gar nicht zusammen.

Erkenntnis Nummer 2:
Hier ist ganz schön was los.

Mehr Leistung nicht unbedingt der beste Weg

Gleich mehrere Arbeitsschiffe sind zwischen den Windkraftanlagen unterwegs. Im Sommer, das erklärt Nordsee-One-Geschäftsführer Till Frohloff, würden immer die größeren Wartungsarbeiten durchgeführt. Bis zu vier CTVs (Crew Transport Vessels; Mannschaftstransportschiffe) seien dann im Einsatz. Die Schiffe können direkt an die Windkraftanlagen heranfahren, so dass die Kräfte über eine Leiter auf die kleinen Plattformen gelangen können, von wo aus das Innere der Anlagen zugänglich ist.

2017 wurde der Offshore-Park nach zwei Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Die 54 Anlagen erzeugen im Schnitt 6,51 Megawatt, der gesamte Park somit 332 Megawatt an Energie. Bis 2027 können die Anlagen am Netz bleiben, dann läuft der Vertrag aus. „Das hier ist noch ein relativ kleiner Windpark“, so Frohloff. Heute würden die Anlagen auch mehr Leistung liefern, 15 Megawatt seien es meistens. „Aber solange die Leitungen an Land nicht besser ausgebaut werden, brauchen wir gar nicht unbedingt noch mehr Leistung“, sagt Frohloff. „Stattdessen sollte man mehr Wert auf eine günstigere Serienproduktion der Anlagen legen“, so seine Meinung.

Abwechslungsreiche Arbeit

Überwacht wird der Windpark rund um die Uhr von Norddeich aus. Von hier aus starten auch die CTVs, bei medizinischen Notfällen starten die Helikopter ab Emden. „Wir hatten seit 200 Tagen keinen meldepflichtigen Unfall mehr“, sagt Frohloff nicht ohne Stolz. Das Personal, welches Offshore eingesetzt wird, sei aber auch speziell geschult. „Wobei auch wir den Fachkräftemangel spüren“, sagt Frohloff.

Das Offshore-Umspannwerk aus der Nähe.

Das Offshore-Umspannwerk aus der Nähe. Foto: Hock

Die Arbeit an den Anlagen sei dabei sehr abwechslungsreich. Standardlösungen gebe es kaum. Oft müssten die Techniker, die im Schnitt 14 Tage im Einsatz sind, bevor es eine Freiphase gibt, eigene Lösungen finden. Einer dieser Techniker ist Henning Bonde, der bei der Ausflugsfahrt mit dabei ist, um Fragen rund um den Beruf zu beantworten. Der 34-Jährige muss nicht nur kopffest sein. Immerhin haben die Windkraftanlagen eine Höhe von 152 Metern über Seekartennull. Ein Rotor hat ungefähr eine Länge von 60 Metern. Manchmal will aber auch das Material nicht so wie geplant. Ende 2020 stellte sich zum Beispiel heraus, so Frohloff, dass es einen Serienfehler in nahezu allen Turbinen in „Nordsee One“ gab. Die Teile zur ersetzen sei fast so gewesen als „hätte man einen neuen Windpark“ gebaut.

Arbeiten mitten im Meer

In der Regel täglich fahren die Offshore-Mitarbeiter vor allem im Sommer zu den Anlagen. Start- und Zielpunkt ist dabei immer Norddeich. Und was ist, wenn eine Abholung mal nicht möglich ist? Auf jeder Anlage gibt es für den Notfall Proviant und auch Übernachtungsmöglichkeiten, verrät Bonde. Sogar Gesellschaftsspiele gehören zum Notfallpaket. Er selbst sei aber bislang immer ohne Zwischenfälle wieder an Land gekommen. Als ein CTV mehrere Arbeiter von einer Windkraftanlage abholt, wird klar, wie klein die Menschen im Vergleich zur Technik doch sind. „Heute, bei ruhiger See, da geht das“, sagt Hendrik Lassen. Der 45-Jährige steuert an diesem Tag den Katamaran, aber sonst ist auch er mit den CTVs unterwegs. „Bei starkem Seegang muss man schon genau den richtigen Moment abpassen“, sagt er. Sowohl beim Steuern des Bootes als auch beim Griff zur Leiter.

Während der Gespräche an Bord sind die Windkraftanlagen von Schemen am Horizont zu stählernen Kolossen in fast greifbarer Nähe geworden. Hätte die „Adler One“ keine Genehmigung, um in den Bereich einzufahren, wären an Land schon lange die Alarmglocken losgegangen. Jedes Schiff, welches in den 500 Meter umfassenden Sperrbereich um die Anlagen einfährt, wird sofort kontaktiert, so Frohloff. Zudem gebe es weitere Sicherungsmaßnahmen, damit auch Schiffe mit böser Absicht bemerkt werden. Mehr ins Detail möchte der Geschäftsführer nicht gehen. Vorfälle wie im April, als ein Frachter vermutlich auf Automatikkurs eine Windkraftanlage in Ørsteds benachbartem Windpark „Gode Wind 1“ rammte, verfolge man aufmerksam.

Das Offshore-Umspannwerk

Auch wenn es aus der Ferne so aussieht: Wirklich „dicht an dicht“ stehen die Windenergieanlagen im rund 41 Quadratkilometer großen Windpark nicht. „Nordsee One“ liegt etwa 35 Kilometer nördlich der Insel Juist in der südlichen Nordsee. Außer den Windkraftanlagen sind auch noch andere „Gebilde“ Bestandteil des Windparks. So zum Beispiel das Offshore-Umspannwerk.

Dazu heißt es auf der Internetseite von Nordsee One: „Das 155-kV-Offshore-Umspannwerk ist das Herzstück des Windparks. Die Energie aller 54 Windkraftanlagen wird über die 33kV-Seekabel zum Offshore-Umspannwerk geleitet. Dort wird die Spannung über zwei Netztransformatoren von 33kV auf 155kV transformiert. Die Energie wird über zwei 155-kV-Seekabel, die vom Übertragungsnetzbetreiber zur Verfügung gestellt werden, zur AC/DC-Umrichterstation Dolwin Beta weitergeleitet.“ Die Oberseite des Umspannwerks ist ein vierstöckiges Stahlgebäude, in dem die Netztransformatoren, die Schaltanlagen und die Hilfsstromversorgung für die Beleuchtung, die Sicherheitssysteme und das Daten- und Kontrollsystem untergebracht sind. Das Offshore-Umspannwerk steht etwa 40 Meter über dem Meeresspiegel. Eine Hubschrauberlandeplattform auf dem Oberdeck des Offshore-Umspannwerks ermöglicht einen wetterunabhängigen Zugang zur Plattform für Betriebs- und Wartungsarbeiten.

Dolwin Beta

Die Umrichterstation „Dolwin Beta“, betrieben von Tennet, liegt zwischen den Offshore-Windparks „Nordsee One“ sowie „Gode Wind 1“ und „Gode Wind 2“. Über 45 Kilometer Seekabel und 90 Kilometer Landkabel ist „Dolwin Beta“ über die Leitung „Dolwin 2“ mit der landseitigen Konverterstation Dörpen-West im Emsland verbunden. Dort wird der Gleichstrom wieder in Drehstrom umgewandelt, durch das Umspannwerk ins Übertragungsnetz eingespeist und in verbrauchsintensive Regionen weiterverteilt. So erklärt es Netzbetreiber Tennet auf seiner Internetseite. „Mit einer Übertragungskapazität von 916 Megawatt (MW) können durch „Dolwin 2“ pro Jahr mehr als eine Millionen Haushalte mit sauberer Windenergie versorgt werden.“

Dolwin Beta: Die Umrichterstation sorgt dafür, dass der Strom vom Meer an Land kommt.

Dolwin Beta: Die Umrichterstation sorgt dafür, dass der Strom vom Meer an Land kommt. Foto: Hock

Dennoch, so erklärt Frohloff, reichen die Leitungskapazitäten nicht immer aus. Oft müsse der Windpark heruntergeregelt werden, weil sonst zu viel Strom produziert werde. Davon merkt man zwischen den großen Anlagen, die aber dennoch deutlich kleiner als ihre Geschwister an Land sind, nichts. Die Windkraftanlagen drehen sich. Ein CTV fährt vorbei, begleitet den Katamaran ein Stück. Rund 45 Minuten dauert der Aufenthalt, bevor es wieder Richtung Norderney und schließlich Norddeich zurück geht. Ob die Fahrt, an der auch Einheimische und Touristen teilnehmen können, so wiederholt wird? Das ist noch nicht klar.

Suchbild mit Arbeiter: Ein CTV holt gerade Mitarbeiter von einer Windkraftanlage ab.

Suchbild mit Arbeiter: Ein CTV holt gerade Mitarbeiter von einer Windkraftanlage ab. Foto: Hock

Zukunft Nordsee

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Zukunft Nordsee“ von Ostfriesen-Zeitung, General-Anzeiger, Borkumer Zeitung, Nordsee-Zeitung, Kreiszeitung Wesermarsch und Deutscher Presse-Agentur (DPA). In dieser Serie beschäftigen wir uns mit Themen, die für die gesamte Küstenregion relevant sind – zum Beispiel mit dem Klimawandel, erneuerbaren Energien, der Entwicklung der Wirtschaft und dem Tourismus. Weitere Beiträge dazu finden Sie hier

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