Das Denkmal des Bremerhaven-Gründers und ehemaligen Bremer Bürgermeisters Johann Smidt auf dem Heussplatz ist ein besonderes: So gibt es etwa in Deutschland kaum eine Statue, die einen Bürgermeister in dieser Größe ehrt. Doch zuletzt ist das Denkmal in die Kritik geraten. Auslöser ist die Bronze-Figuren-Gruppe an der rechten Seite des Sockels. Zu sehen ist dort ein hanseatischer Geschäftsmann, zu seiner Linken ein Junge schwarzer Hautfarbe.
Im Zuge der kritischen Aufarbeitung des Kolonialismus ist diese Darstellung in den Blick geraten. Einige Beobachter erkennen bei dem dargestellten Jungen einen servilen oder gar devoten Gesichtsausdruck, eine Verherrlichung des oftmals ausbeuterischen Welthandels jener Zeit - etwa des Bremer Baumwollhandels mit Nordamerika.
Wie stereotyp ist die Darstellung des Jungen?
Zuletzt störten sich etwa einige Teilnehmer eines Stadtrundgangs der Stadtteilkonferenz Mitte an der Darstellung - obwohl die Veranstalter das Thema gar nicht auf der Agenda hatten. Auch das Bündnis „Bremerhaven bleibt bunt“ und die Grünen bestätigen, sich schon mit dem Denkmal befasst zu haben. „Es wurden dazu schon einige Anfragen an uns herangetragen“, berichtet Kai Kähler, der Leiter des Historischen Museums in Bremerhaven. Kähler hält es daher für lohnenswert, sich des Denkmals noch einmal anzunehmen und es aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Wie stereotyp ist die Darstellung des Jungen? Soll er einen Sklaven verkörpern? Der Leiter des Historischen Museums kann sich zum Beispiel die Form eines interdisziplinären Symposiums vorstellen. Und wie stand Smidt, der zur Zeit der Gestaltung des Denkmals selbst schon tot war, überhaupt zum Kolonialismus, zur Sklaverei? „Den Kontakt zum Fockemuseum habe ich hinsichtlich der Forschung zu Bürgermeister Smidt aufgenommen“, berichtet Kähler.
In Bremen hatte es zuletzt etwa eine intensive Forschung und eine große Debatte um Smidts Einstellung zum Judentum gegeben - mit dem Ergebnis, dass die Figur Smidt in Bremen inzwischen deutlich kritischer gesehen und eingeordnet wird.
In Auftrag gegeben wurde das Denkmal zur 50-Jahr-Feier der Hafengründung von Hermann Gebhard, dem Bremerhavener Stadtdirektor in der Zeit. Die Figuren wurden vom renommierten Leipziger Künstler Werner Stein geschaffen, 1888 wurde das Denkmal eingeweiht - zur Feier des 50-jährigen Bestehens des Hafens. Seit 1977 steht es unter Denkmalschutz. Denkbar sei, so Kähler, dass im Zuge des möglichen Symposiums eine Art Begleittext erarbeitet werden könnte, der künftig auf einer Tafel das Denkmal auf dem Heussplatz einordnet - so, wie es bei Straßenschildern schon der Fall ist. Laut Kähler ist es auf jeden Fall positiv, wenn sich die Stadtgesellschaft immer wieder neu darüber verständige, welche Darstellungen und Werte man in Form von Statuen würdigen wolle.
Kulturdezernent Michael Frost pflichtet Kähler bei. In Bezug auf das Bürgermeister-Smidt-Denkmal brauche es zunächst einmal eine kritische kulturhistorische Auseinandersetzung, so Frost. „Um diese Auseinandersetzung zu führen, haben wir mit dem Kulturamt, dem Historischen Museum, dem Stadtarchiv, dem Kunstverein, dem Auswanderhaus und der Außenstelle der Landeszentrale für Politische Bildung vor Ort eine exzellente Expertise. Ich werde mich dafür einsetzen, alle relevanten Akteure an einen Tisch zu bringen“, teilt Frost mit.
NORDSEE-ZEITUNG berichtete zur Einweihung
Doch worum geht es eigentlich bei den beiden Bronze-Figurengruppen, die rechts und links am Sockel der Statue Smidts zu sehen sind? Sie sollen wohl bildliche Darstellungen der beiden Stärken Bremens zu jener Zeit sein, links die Schifffahrt, rechts der Handel mit fernen Ländern. So schreibt es auch die NORDSEE-ZEITUNG 1888 in einem Bericht zur Einweihung (Vorläufer der 1895 gegründeten heutigen NORDSEE-ZEITUNG). „In den beiden prächtigen Gruppen, welche den Sockel flankieren, hat der Künstler den Handel und die Schifffahrt in engerer Beziehung zu Bremen und Bremerhaven dargestellt und besonders darauf Rücksicht genommen, den Gruppen einen volkstümlichen Charakter zu geben“, schreibt der Reporter jener Zeit. Und weiter: „Ein in mittelalterlicher Tracht gekleideter hanseatischer Kaufherr sitzt zwischen Warenballen, die Rechte mit der Feder leicht darauf stützend, den Blick in die Ferne gerichtet, gleichsam auf große Unternehmungen sinnend. Ihm zur Seite steht ein kleiner Negerbursche, welcher ihn anschaut, einen Ballen hält und mit der Hand darauf hinweist, gleichsam den Wert des Inhalts anzeigend.“ (Hier wird das N-Wort aus einer historischen Quelle von 1888 zitiert, ansonsten gibt es die Übereinkunft, diesen Begriff heutzutage nicht zu verwenden.)
Zur Aufarbeitung des Kolonialismus hat in Bremerhaven schon Forschung stattgefunden, verschiedene Institutionen boten Veranstaltungen an. „Dabei spielt China in Bremerhaven eigentlich eine zentralere Rolle als Afrika“, berichtet Kähler mit Blick auf Hunnenrede und Boxeraufstand. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum, das Deutsche Auswandererhaus, das Historische Museum und das Stadtarchiv engagieren sich. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum beschäftigte sich auch schon intensiv mit der Rolle des Norddeutschen Lloyds im Zusammenhang mit dem Kolonialismus.
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